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Channel: Betretungsverbot – Rechtslupe
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Aufenthalts- und Betretungsverbot geen einen Fussballhooligan – und die Gebühren der Gemeinde

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Verhängt eine (hier: baden-württembergische) Gemeinde aufgrund ihrer Zuständigkeit als Ortspolizeibehörde ein Aufenthalts- und Betretungsverbot gegen einen Fußballhooligan, so kann sie, wenn sie auf der Grundlage des § 11 KAG eine entsprechende Gebührensatzung erlassen hat, hierfür eine Verwaltungsgebühr erheben.

Das Aufenthalts- und Betretungsverbot wurde in dem hier entschiedenen Fall von der Gemeinde als sachlich und örtlich zuständiger Ortspolizeibehörde erlassen (vgl. §§ 60 Abs. 1, 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 Satz 1, 66 Abs. 2, 68 Abs. 1 PolG). Eine abweichende Zuständigkeitsbestimmung – etwa nach § 60 Abs. 1 PolG – besteht nicht. Ob und in welchem Umfang die Gemeinde bei der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts auf die Zuarbeit anderer Dienststellen angewiesen ist, ist für die Frage der Zuständigkeit nicht relevant.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27a Abs. 2 Satz 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei einer Person verbieten, einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder ein Gemeindegebiet zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird (Aufenthaltsverbot).

Die Rechtsprechung stellt im Zusammenhang mit der Frage, wann gegen ein Mitglied einer gewaltbereiten Fangruppierung bzw. einer Hooligangruppe ein Aufenthalts- und Betretungsverbot erlassen werden kann, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person in dem vom Aufenthaltsverbot erfassten Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, keine allzu strengen Anforderungen. So wird zu Recht nicht verlangt, dass dem Betroffenen im Einzelnen eine konkrete Tatbegehung nachgewiesen werden kann; selbst der Nachweis der Zugehörigkeit zum Kernbereich der gewalttätigen Fan- bzw. Hooliganszene wird als nicht erforderlich erachtet. Begründet wird dies in den genannten Entscheidungen überzeugend damit, dass eine von einem Mitglied einer gewaltbereiten Gruppierung ausgehende Gefahr schon darin besteht, dass dieser durch seine zum Ausdruck gebrachte Zugehörigkeit zu dieser Gruppe die Gewaltbereitschaft fördert und für diejenigen, die persönlich Gewalt anwenden, eine zumindest psychologische Stütze darstellt. Die von Hooligans oder anderen gewaltbereiten Fans etwa einer Ultra-Gruppierung begangenen Straftaten haben ein typisches Erscheinungsbild und stellen sich als Deliktstyp dar, der aus der homogenen Gruppe heraus initiiert und gesteigert wird. Die gewaltbereite Szene benötigt ein unterstützendes Umfeld; schon die bloße Anwesenheit von Gleichgesinnten trägt zur Gewaltbereitschaft derjenigen bei, die ihrem Kernbereich zuzurechnen sind und aus der Anonymität der Gruppe heraus agieren. Andererseits lassen sich Maßnahmen auf Grundlage des § 27a Abs. 2 PolG nicht auf reine Vermutungen stützen; vielmehr müssen aussagekräftige, tatsächliche Hinweise dafür vorliegen, dass der Betreffende nicht nur allgemein, sondern gerade dort, wo das Aufenthaltsverbot gelten soll, eine Straftat verüben wird.

Diese Voraussetzungen hat die Gemeinde unter Zugrundelegung der ihr vom Polizeipräsidium Aalen mitgeteilten Erkenntnisse, die vom Fussballhooligan nicht substantiiert bestritten werden bejaht. Sie ist davon ausgegangen, dass der Fussballhooligan in der gewaltbereiten Fußballszene des F.C. Hansa Rostock und als Mitglied der Fan-Gruppierung “XXX”, deren Mitglieder immer wieder bei gewalttätigen Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans und der Polizei in Erscheinung getreten, aktiv und wiederholt in direktem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Spielen des F.C. Hansa Rostock mit gewalttätigem Verhalten in Erscheinung getreten ist. Bei Auswertung der 25 mitgeteilten Einzelerkenntnisse, die belegen, dass der Fussballhooligan regelmäßig auch an den unterschiedlichsten Auswärtsspielorten, darunter am 08.05.2015 in Großaspach, in Erscheinung getreten ist, war die Gefahrprognose auch bezogen auf die Begegnung am 08.04.2016 gerechtfertigt.

Die Gemeinde hat ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie hat die angefochtene Verfügung damit begründet, es sei zu verhindern, dass der Fussballhooligan anlässlich der am 08.04.2016 stattfindenden Fußballbegegnung weitere Straftaten begehen oder zu deren Begehung beitragen werde. Der vom Aufenthaltsverbot betroffene Bereich beschränke sich auf das den näheren Bereich um die Mechatronik-Arena. Der Fussballhooligan werde nicht erheblich in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, denn weder wohne er im Geltungsbereich des Aufenthaltsverbots noch sei eine Einrichtung ersichtlich, die er dort in dem fraglichen Zeitraum aufsuchen müsse. Das Aufenthaltsverbot stelle den geringsten Eingriff dar und schränke die Rechte des Fussballhooligans weniger ein als die Auflage, sich während der Fußballbegegnung persönlich bei der Polizei seines Wohnortes zu melden.

Hiergegen ist nichts zu einzuwenden. Insbesondere hat die Gemeinde das Aufenthaltsverbot auf den Spieltag und auch insoweit lediglich auf einen überschaubaren, aus Sicht der Polizei bei Fanausschreitungen aber regelmäßig relevanten Zeitraum und auch örtlich auf den relevanten Bereich beschränkt. Mildere Handlungsalternativen standen mit Blick auf den bezweckten Erfolg aber nicht zur Verfügung. Damit erwies sich das Aufenthaltsverbot auch als verhältnismäßig.

Das Aufenthaltsverbot war auch hinreichend bestimmt. Sein räumlicher Geltungsbereich konnte der beigefügten Plankarte und der textlichen Beschreibung in der angefochtenen Verfügung zweifelsfrei entnommen werden.

Die Gebührenfestsetzung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung sind die §§ 2, 11 KAG in Verbindung mit der Verwaltungsgebührensatzung der Gemeinde. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG werden die Kommunalabgaben, zu denen auch die Gebühren gehören (vgl. § 1 KAG), aufgrund einer Satzung erhoben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden für öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse Einzelner vornehmen, Gebühren erheben. Eine öffentliche Leistung in diesem Sinn ist jedes behördliche Handeln (§ 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 2 Abs. 2 LGebG). Nach § 11 Abs. 2 KAG soll die Gebühr die mit der öffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung Beteiligten decken; Verwaltungskosten sind die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten mit Ausnahme der kalkulatorischen Zinsen. Bei der Gebührenbemessung ist die wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung der öffentlichen Leistung für den Gebührenschuldner zum Zeitpunkt ihrer Beendigung zu berücksichtigen. Sollen Gebühren nach festen Sätzen erhoben werden, kann das wirtschaftliche oder sonstige Interesse der Gebührenschuldner unberücksichtigt bleiben. Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur öffentlichen Leistung stehen. Gebührenschuldner ist derjenige, dem die öffentliche Leistung zuzurechnen ist (§ 11 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG). Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 12 LGebG kann die Gebühr nach festen Sätzen oder als Rahmengebühr bestimmt werden.

Im Einklang mit diesen gesetzlichen Vorgaben erhebt die Gemeinde nach § 1 ihrer Satzung für sonstige öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse Einzelner vornimmt, Gebühren, soweit nicht Bundesrecht oder Landesrecht etwas anderes bestimmen. Gebührenschuldner ist derjenige, dem die öffentliche Leistung zuzurechnen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung). Die Höhe der Verwaltungsgebühren richtet sich nach dem der Satzung beigefügten Gebührenverzeichnis, welches unter der lfd. Nr. 2 als allgemeine Verwaltungsgebühr eine Rahmengebühr in Höhe von 5, – bis 2.500, – EUR vorsieht. Die Höhe der Gebühr bemisst sich nach § 4 Abs. 2 der Satzung nach dem Verwaltungsaufwand, nach der Bedeutung des Gegenstandes, nach dem wirtschaftlichen oder sonstigen Interesse für den Gebührenschuldner sowie nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen.

Daran gemessen ist die Heranziehung des Fussballhooligans zu einer Verwaltungsgebühr von 150, – EUR rechtmäßig.

Es ist allgemein anerkannt und entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die dargestellten Grundsätze über die Erhebung von Verwaltungsgebühren durch eine Gemeinde auch dann gelten, wenn diese als Ortspolizeibehörde tätig wird. Mit der Entscheidung über Gebühren und Auslagen werden auch keine polizeilichen Aufgaben wahrgenommen, sondern Einnahmen für den kommunalen Haushalt beschafft, um die entstandenen Kosten zu decken. Kostenentscheidungen der kommunalen Polizeibehörden fallen daher nicht in den Bereich der Weisungsaufgaben, sondern gehören zu den weisungsfreien Angelegenheiten der Gemeinden. Entgegen der Auffassung des Fussballhooligans gibt es auch keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz des Inhalts, dass für freiheitsbeschränkende Maßnahmen grundsätzlich keine Gebühren erhoben werden dürften.

Zu Recht hat die Gemeinde den Fussballhooligan als Gebührenschuldner herangezogen, weil er das Verwaltungshandeln im gebührenrechtlichen Sinne veranlasst hat. Veranlasser im Sinne des Gebührenrechts ist nicht nur, wer eine öffentliche Leistung beantragt, sondern auch derjenige, durch dessen Verhalten die öffentliche Leistung erforderlich wird. Dies war hier, wie sich aus den Ausführungen unter a)) ergibt, der Fussballhooligan. Hat dieser die Amtshandlung veranlasst, steht der Gebührenerhebung auch nicht entgegen, dass das Aufenthalts- und Betretungsverbot im überwiegenden öffentlichen Interesse erlassen wurde. Dieser Umstand begründet nach § 2 der Satzung der Gemeinde, der mit den gesetzlichen Vorgaben des gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG entsprechend geltenden § 9 LGebG in Einklang steht, keine sachliche Gebührenfreiheit.

Die vom Fussballhooligan vorgebrachten, jedoch nicht näher substantiierten Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Rahmengebühr mit höherrangigem Recht greifen nicht durch. Zwar wendet er zu Recht ein, dass Rahmengebühren immanent ist, die konkrete Höhe der Gebühr nicht eindeutig durch den Blick in das Gesetz beantworten zu können. In der Rechtsprechung ist aber geklärt, dass diese Unbestimmtheit nicht zu einer Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebot führt. § 11 Abs. 2 KAG und der gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG entsprechend geltende § 12 Abs. 4 LGebG stecken in verfassungskonformer Weise die äußeren Grenzen des Spielraums der zulässigen Gebührenhöhe ab und eröffnen die Möglichkeit richterlicher Überprüfung der Einhaltung dieser Grenzen.

Nach diesen Grundsätzen ist auch der Gebührenrahmen unter der lfd. Nr. 2 des Gebührenverzeichnisses, der als allgemeine Verwaltungsgebühr eine Rahmengebühr in Höhe von 5, – bis 2.500, – EUR vorsieht, nicht zu beanstanden. Für besonders einfach gelagerte Fälle, die nur einen geringen Verwaltungsaufwand verursachen, erlaubt er eine besonders niedrige Gebühr. Umgekehrt ermöglicht der Gebührenrahmen für außerordentlich komplexe und aufwändige Fälle, die sehr schwierige Ermittlungen erfordern und an denen ein übermäßig hohes wirtschaftliches oder sonstiges Interesse besteht, den Ausgleich durch Festsetzung einer adäquat hohen Gebühr. Die denkbaren Fallgestaltungen sind derart vielfältig, dass nur die gewählte weite Spreizung des Gebührenrahmens dem Äquivalenzprinzip Rechnung trägt und daher ohne Weiteres mit höherrangigem Recht vereinbar ist.

Ermessensfehlerfrei hat die Gemeinde schließlich die Gebühr auf 150, – EUR festgesetzt. Die moderate Gebühr, die sich im unteren Bereich des Gebührenrahmens bewegt, ist angesichts des Verwaltungsaufwands angemessen und verstößt auch nicht gegen das Äquivalenzprinzip. Der Umstand, dass der Fussballhooligan möglicherweise auch anderweitig Anlass zu polizeilichem Tätigwerden gibt und kostenpflichtige Verfügungen erhält, musste bei der Bemessung der Gebühr nicht mindernd berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Fussballhooligans kam nicht in Betracht, weil der Fussballhooligan hierzu auch im Widerspruchsverfahren nicht substantiiert vorgetragen hat.

Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 23. März 2017 – 1 K 6242/16


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